Wenn ich nur ein Wort zur Verfügung hätte, um dieses Buch zu beschreiben, dann wäre es wohl: Perfekt. Eine perfekt geschriebene Liebesgeschichte, mit der man ein paar Seiten gehen muss, um ihr irgendwann in die Augen zu schauen und sich darin zu verlieren. Spätestens auf Seite 100 war ich wirklich gefangen, meine Stimmung wechselte zwischen amüsiert, gespannt und berührt.
Genre:
Ebenso wie bei 1001 Nacht handelt es sich um ein Märchen. Das bedeutet, die Handlungen sind symbolisch zu verstehen, nicht wörtlich. Ich weiß, heute werden die Grimmschen Märchen oft nicht mehr vorgelesen, denn sie werden als zu brutal empfunden. Hier liegt ein grundlegendes Missverständnis vor. Kinder stellen sich die Szenen nicht explizit vor, sie haben sie nicht situativ vor Augen. Die bösen Figuren bekommen ihre gerechte Strafe, fertig. Anscheinend haben Kinder noch die Fähigkeit, die Symbolik der Geschichten wahrzunehmen.
Natürlich ist es eigentlich noch viel komplexer. Die Märchen aus 1001 Nacht bestehen aus einer Rahmenhandlung und verschiedensten Fragmenten, die hin und her übersetzt wurden und dabei Änderungen erfahren haben. Grimms Aufzeichnungen der Volksmärchen sind im Rahmen der literaturhistorischen Tätigkeit der Brüder einzuordnen, die mit den Erwartungen der Zeitgenossen, ein Kinderbuch zu erhalten, kollidierten. Doch genug der Theorie! Jetzt soll es um die Geschichte gehen.
Schreibstil:
Der Schreibstil von Zorn und Morgenröte ist poetisch und souverän. Die Sprache passt sehr gut zum Setting und verstärkt den Eindruck von Authentizität. Die Namen und Orte sind fremdländisch, ebenso wie die Bezeichnung vieler Gegenstände. Am Ende des Buches befindet sich ein Glossar, das manchen Aha-Effekt auslöst. Gut, wenn man es vor dem Lesen findet.
Doch auch ohne die akribische Übersetzung kann man sich meist gut vorstellen, um was für einen Gegenstand es sich handelt, da alles sehr anschaulich beschrieben wird. Auch die Landschaft, das Wetter, die Stimmung werden so dargestellt, dass man als Leser in die orientalische Welt eintauchen kann.
Inhalt und Charaktere:
Auch hier findet sich, wie im historischen Vorbild, eine Rahmenhandlung: die Liebesgeschichte von Sharzi und Chalid. Die hinzugefügten Fragmente, nämlich die von Sharzi erzählten Geschichten, hören jedoch ziemlich abrupt auf. Davon hätte ich gern mehr gelesen.
Ähnlich wie in 1001 Nacht haben wir es hier mit einem brutalen Kalifen zu tun, der jede Nacht eine junge Frau heiratet und sie dann tötet. Sharzi, ein willensstarkes und gebildetes Mädchen, will den Tod ihrer Freundin rächen und meldet sich freiwillig als Ehefrau für den Kalifen. Nur Blutrache kann ihren Verlust sühnen! Und doch kommt alles anders, denn der Kalif und Sharzi verlieben sich ineinander. Das ist auch kein Wunder, denn Sharzi wird als sehr liebenswert, kultiviert und mutig dargestellt. Sie ist die Rettung für den jungen Chalid, der ihr schnell verfällt und sie regelrecht vergöttert. Die Zwänge, die sein Handeln bestimmen, kann wohl niemand außer der jungen Sharzi aufdecken und auflösen.
Auch die Nebencharaktere sind sehr liebenswert und sorgfältig gezeichnet.
Fazit:
Wer Lust auf eine ganz und gar magische Geschichte hat, der ist mit Zorn und Morgenröte gut beraten. Das Ende ist offen, denn ein zweiter Teil folgt. Ich werde ihn sicherlich lesen.
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