Ich rezensiere gern die Werke von Selfpublishern, vor allem, wenn es sich um Liebesgeschichten handelt, die perfekt zu meinem Blog passen. Ich mag es auch, junge Talente zu unterstützen, das war unter anderem ein Grund, warum ich die Autorencouch gegründet habe (auch wenn ich ein Weilchen keine Interviews geführt habe, da mein eigenes Leben recht turbulent und ausgefüllt war … ich sage nur: Umzug!).
Wenn ich die Bücher von Selfpublishern und die von Verlagen vergleiche, muss ich sagen, dass sich die Qualität die Waage hält. Ein sich selbst verlegender Autor, der mit einem Lektorat und einem Korrektor zusammenarbeitet und eine stimmige Geschichte zu erzählen hat, muss sich hinter von Verlagen publizierten Autoren keineswegs verstecken. Bei denen hapert es nämlich manchmal an der Substanz der Geschichte.
Und jetzt kommt das große Aber. Denn dieser Roman von Ruby M. Nicholson hat mir überhaupt nicht gefallen.
Das beginnt schon mit dem Setting: Wir haben hier eine 17-jährige, die schon komplett in einem Erwachsenenleben gefangen ist. Sie ist seit zwei Jahren mit ihrem reichen Freund zusammen, die Heirat und das künftige Leben sind schon durchgeplant. Im Klappentext heißt es:
Mein Leben ist perfekt. Zumindest glauben das alle. Mein Freund ist Ethan Parker. Beliebt, gut aussehend und reich. Der perfekte Schwiegersohn. Klingt wie ein Traum, ich weiß. Genau deshalb versuche ich, all die Kleinigkeiten, die mich stören, zu übersehen und einfach glücklich zu sein. In ein paar Jahren werden wir heiraten und Kinder kriegen.
Also, für mich klingt das nicht perfekt, sondern sterbenslangweilig. Wo ist die Identifikationsfläche? Die Probleme, mit denen Scarlett konfrontiert ist, zeigen einen schwächlichen und unentschlossenen Charakter. Sie tut, was ihr Freund will, zieht an, was ihr Freund will, hat Sex, wenn ihr Freund will *gähn. Eine Geschichte lebt von Konflikten, doch Scarlett hat nicht die Kraft, einen Konflikt auszuhalten. Darum wird TJ (der Bad Boy) ihr Konfliktkatalysator, und jetzt wird die Geschichte erst recht problematisch. Wie trifft sie diesen Jungen zum ersten Mal?
Distance of love – die Begegnung
*Achtung, Spoiler!
Scarlett springt während eines Streits aus dem Auto ihres Freundes, und steht im sexy Kleidchen und auf hohen Schuhen mitten in einer miesen Gegend, während Ethan wütend abrauscht. (Es ist Nacht, und ehrlich gesagt, ein Mädchen, das ihren Freund nach so einer Aktion nicht abschießt, hat wirklich ein Problem.) Prompt wird sie von einer Gruppe junger Männer belästigt, und was fällt ihr dabei ein? Wie angenehm die Stimme des einen klingt. Du meine Güte, echt jetzt? DAS denkt man in einer solchen Situation, wenn man befürchten muss, dass einem gleich Gewalt angetan wird?
An dieser Stelle (gleich zu Beginn des Buches) war Potenzial für echte Spannung, wie kommt sie jetzt aus dieser Situation wieder raus? Aber was passiert? Scarlett wird ganz plötzlich und im Handumdrehen gerettet.
Natürlich trifft sie TJ später wieder, und fühlt sich wie magisch von ihm angezogen. Er, der böse Gangboy, hat einen Job, kümmert sich liebevoll um seine Schwester und seine Mutter und behandelt Scarlett fürsorglich. BAD Boy? Der einzige böse Junge in dieser Geschichte ist Ethan, und niemand stoppt ihn!
Es kommt zu wiederholten Treffen zwischen Scarlett und TJ, und dann beginnt das große Lamentieren der jungen Protagonistin: Ich habe ja solch ein schlechtes Gewissen, ich kann nicht aufhören an TJ zu denken, ich kann Ethan nicht einfach betrügen, es ist nicht in Ordnung, was ich tue, was soll ich nur tun, diese Augen, diese Stimme, ich bin so verliebt, der arme Ethan … usw. usf. Dieser innere Konflikt tritt lange auf der Stelle.
Selbst als die Trennung von Ethan endlich vollzogen ist, denkt sie immer noch seltsame Dinge, wie: Es war schon irgendwie komisch, ihn als meinen Ex zu betiteln. Wir waren so lange zusammen gewesen und irgendwie war immer alles immer so…richtig, dass es mir schwerfiel.
Richtig? Vielleicht habe ich irgendetwas verpasst? Erzwungener Sex, Gewalt, Gleichgültigkeit sind … richtig?
Distance of love – die Sprache
Nun, es ist aber nicht nur der Inhalt, der mir nicht gefallen hat, auch die Sprache konnte mich nicht begeistern. Hier hat definitiv ein Lektorat gefehlt, um zum Beispiel Sprünge in der Zeit zu vermeiden und unnötige Längen zu streichen. Die Geschichte ist in der Ich-Perspektive geschrieben und wechselt zwischen den Gedanken von Scarlett, die sehr ausführlich beschrieben sind und denen von TJ, die immer etwas kurz kommen.
Mein Fazit: Auch wenn es mir schwerfällt, ich kann Distance of love nicht weiterempfehlen. Ich hoffe jedoch, die Autorin verzeiht mir meine offenen Worte und hört nicht auf, sich in ihrer Leidenschaft zu üben. Übung macht die Meisterin!
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